Die wahre Bedeutung von hinterfotzig
- Juli Faber

- 19. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Ist das Wort hinterfotzig sexistisch? Laut Duden bedeutet es hinterhältig, hinterlistig oder unaufrichtig[i] und in dieser Bedeutung wird es wohl auch von den meisten Mensch gebraucht. Die Nähe zum weiblich assoziierten Geschlechtsorgan gibt dem Wort allerdings einen unangenehmen touch von politischer Unkorrektheit. Ist das gerechtfertigt? Um diese Frage eindeutig beantworten zu können, müssen wir seine Ursprünge ausgraben. Denn hinterfotzig ist eines dieser Unfälle in der Sprachentwicklung, die durch eine Fehlinterpretation der Sprecher:innen eine neue Wortbedeutung hervorriefen. Leider, in diesem Fall.

Von Vulven und Mäulern – die Bedeutung von hinterfotzig
Schauen wir uns das naheliegendste an, das, was wohl die meisten Menschen mit hinterfotzig verbinden: Fotze. Das Wort Fotze kommt vom mittelhochdeutschen vut[ii], das damals wie heute eine derbe Bezeichnung für die Vagina oder Vulva oder beides war – so präzise ist die historische Lexikologie da leider nicht. In Süddeutschland ist das aber anders. Hier bedeutet Fotzn nach wie vor Maul oder Fresse UND Ohrfeige[iii] UND Lappen[iv]. Letzteres gilt allerdings insbesondere für den alemannischen Sprachraum, also das Schwäbische und Schweizerdeutsch. Alle anderen Bedeutungen (also Vulva und / oder Vagina, Maul, Fresse und Ohrfeige) haben wir im Oberdeutschen Sprachraum, also Bayern und Oberösterreich. Da fragt sich eins unwillkürlich wie Bayer:innen sich so gegenseitig beleidigen. „Halt dei Fotzn, du hinterfotzige Fotzn, sonst gibt’s a Fotzn in dei Fotzn“? Oder so?
Um es noch komplizierter zu machen, werfe ich noch weitere ähnlich klingende Wörter in den Ring. Im Bayerischen gibt es nämlich noch das Verb fotzeln oder fötzeln, was so viel wie necken oder wen aufziehen bedeutet.[v] Alle nicht-Bayer:innen kennen eventuell die Variante frotzeln. Die Herkunft von fotzeln ist allerdings unklar. Trotz seiner lautlichen Ähnlichkeit hat es aber ziemlich sicher nichts mit Fotze oder hinterfotzig zu tun. Es wird eine italienische Herkunft spekuliert und es ist noch relativ jung, heißt, erst seit dem 19. Jahrhundert nachgewiesen.[vi]
Fotze: beste Beleidigung
Wie ist es nun aber mit hinterfotzig und der Fotze? Gibt es da einen semantischen Zusammenhang? Ja – allerdings nur auf die bayerische Variante bezogen, die Maul oder Fresse meint. Hinterfotzig hieß ursprünglich also eigentlich so viel wie hintermäulig, also „hinter dem Munde sprechen“ im Sinne von „übel tratschen“. Trotzdem ging es dann als „hinterhältig“ in den restlichen deutschsprachigen Raum ein. Warum? Jetzt kommen wir zum Sexismus. Denn wer Fotzn nicht als Maul kennt, muss auf die Bedeutung des weiblich assoziierten Geschlechtsorgans zurückgreifen.
Der Bezug zu Fotze verleiht dem Wort einen besonders derben Charakter. Das macht es mit Sicherheit als Beleidigung so beliebt. An sich ist das fair - schließlich beleidigen wir uns ständig mit Genitalien und Körperöffnungen und Fotze eignet sich insofern gut dafür, weil es vermutlich auf dieselbe Wurzel wie faul[vii] zurückgeht, wie wir es heute noch für verschimmeltes Obst und Gemüse verwenden. Auch die althochdeutsche Version fûl bedeutete schimmlig, modrig und stinkend. Im doppelten Sinne also eine hervorragende Beleidigung.
Hinterfotzig: bittere Beleidigung
In diesem Fall ist das aber insofern problematisch, weil das Genital, um das es hier geht, weiblich assoziiert wird und Ratsch und Klatsch einem weiblichen Klischee entspricht. Und mehr noch: hinterhältig zu sein, also die moderne standartdeutsche Bedeutung von hinterfotzig, ist eine Eigenschaft, die wir in unserer patriarchalen Prägung vor allem Frauen und Mädchen zuschreiben. Nicht umsonst gibt es für den Ausdruck falsch Schlange kein rein männliches Pendant. Mit hinterfotzig reproduzieren wir also nur diese misogyne Vorstellung und nein, die Verbreitung dieses Klischees wollen wir nicht unterstützen, indem wir weiter hinterfotzig in diesem Sinne verwenden.
Wenn ihr das Wort aber so sehr mögt und nicht darauf verzichten wollt, dann könnt ihr euch ja so Buttons machen mit: „Mit hinterfotzig meine ich hintermäulig“ oder so. Oder ihr zieht ins bayerische Hinterland, wo die ursprüngliche Bedeutung noch allgemein bekannt ist. Falls ihr euch traut in die fotzigste Region im deutschsprachigen Raum zu ziehen – denn nirgendwo anders landet das Wort Fotze so häufig in Zeitungsartikeln wie in Bayern[viii].
Quellen
[i] https://www.duden.de/rechtschreibung/hinterfotzig, zuletzt abgerufen: 19.08.2025.
[ii] https://www.dwds.de/wb/etymwb/fotze, zuletzt abgerufen: 19.08.2025.
[iii] https://www.dwds.de/wb/Fotze?o=fotze, zuletzt abgerufen: 19.08.2025.
[iv] Kluge – Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 25. Auflage, De Gruyter, 2011.
[v] ebd.
[vi] ebd.
[vii] https://ewa.saw-leipzig.de/articles/f%C3%BBl/de, zuletzt abgerufen: 19.08.2025.
[viii] https://www.dwds.de/wb/Fotzen?o=Fotzeln, zuletzt abgerufen: 19.08.2025.



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